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Wahljahr in Sachsen-Anhalt Warum wir Parteien brauchen

Direktoren Evangelischer Akademien in Ostdeutschland veröffentlichen Stellungnahme zur Demokratie. Was der Chef der Einrichtung in Wittenberg sagt und worum es in Halle geht.

20.04.2024, 10:00
Demokratie ist...
Demokratie ist... (Foto: dpa)

Halle/Wittenberg/MZ/CNI. - Über den Umgang mit rechten Parteien im Osten Deutschlands diskutieren seit Freitag Teilnehmer einer Konferenz in Halle. Sie findet unter dem Titel „Demokratie ist ein Marathon“ in den Franckeschen Stiftungen statt, Gastgeberin ist auch die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg. Wie deren Direktor Christoph Maier am Freitag zur MZ sagte, gibt es 80 angemeldete Gäste. Erwartet wurde auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Drittes Fachgespräch

Bereits am 9. April hatten die Direktoren aller Evangelischen Akademien in Ostdeutschland sich zu ihrem inzwischen dritten Fachgespräch digital getroffen. Jetzt haben sie unter der Überschrift „Warum wir weiterhin Parteien brauchen. Parteiendistanz als Bedrohung parlamentarischer Demokratie“ eine Stellungnahme veröffentlicht, aus der hier zitiert wird.

Vorausgegangen war eine Diskussion über Fragen wie diese: Wie lässt sich Erfahrungen der Distanz zur parlamentarischen Demokratie entgegenwirken? Was kann man der auch medial hoch wirksamen Erzählung von einer gesellschaftlichen Spaltung insbesondere im Osten Deutschlands entgegensetzen? „Wir wissen einerseits aus Umfragen, dass es im Osten sehr hohe Zustimmungswerte zur Demokratie als Staatsform gibt“, wird in der Stellungnahme Friederike Krippner, Direktorin der Evangelischen Akademie Berlin, zitiert. „Andererseits ist die Unzufriedenheit mit der gelebten parlamentarischen Demokratie höher als im Westen Deutschland. Das macht es einer ihrem Wesen nach antidemokratischen Partei wie der AfD besonders leicht, Zustimmung zu erhalten: Sie inszeniert sich als Gegenprogramm zu den demokratischen Parteien.“ Eine weitere Herausforderung bestehe den Angaben zufolge in einer historisch erklärbaren Distanz im Osten zu politischen Parteien an sich. Vor allem auf kommunaler Ebene werde das deutlich, wo viele parteilose Menschen die Geschicke von Kommunen lenkten, so Krippner: „Dieses Phänomen ist Symptom wie auch Katalysator einer gewissen Distanz zur parlamentarischen Parteiendemokratie. Das ist ambivalent.“ Denn so hervorragend die Arbeit oft auch sei: „Wo Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht in Parteien eingebunden sind, haben sie auch keine Möglichkeit, eine Brücke zwischen ,denen da oben’ und denen zu bilden, die vor Ort Probleme erlebbar lösen.“

Starke Erfahrungen

Akademie-Rektor Maier aus Wittenberg betonte, dass es im Osten „sehr starke und positive Erfahrungen“ mit gelebter Demokratie gebe. Er erinnerte an die demokratischen Bewegungen, die die Friedliche Revolution von 1989 ermöglichten. Dieser „positive Erfahrungsraum“ sei gleichermaßen Herausforderung wie Chance: „Wenn wir über die Stärkung der Demokratie sprechen, müssen wir in Betracht ziehen, dass Menschen damit sehr Unterschiedliches verbinden: Reden wir über die Idee einer Straßendemokratie mit Protest und Demonstrationen? Geht es um basisdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten zur Gestaltung unserer unmittelbaren gesellschaftlichen Umgebung? Oder sprechen wir über das langfristige Engagement in einer demokratischen Partei?“

Was gestärkt werden muss

Wie es in der Stellungnahme auch heißt, müsse möglicherweise angesichts schrumpfender Parteien stärker als bisher darüber nachgedacht werden, „wie sich Demokratie jenseits des Parteienspektrums praktizieren lasse – etwa durch Formate wie Bürgerräte oder runde Tische“. Dies könne die Vorteile der parlamentarischen Demokratie aber nur ergänzen und nicht ersetzen. Daher müsse zugleich das Vertrauen in die parlamentarischen Parteiendemokratie gestärkt werden. Dies sei Aufgabe nicht nur der Politik, sondern auch zivilgesellschaftlicher Kräfte, so Maier: „Aufgabe beider großen Kirchen und insbesondere ihrer Akademien ist in der derzeitigen Situation unbedingt, das Zutrauen in die parlamentarische Demokratie zu stärken oder neu aufzubauen.“ Dazu gehöre, „auch schwierige politische Debatten zu ermöglichen, kirchliche Räume zu öffnen und mit Veranstaltungen in die Fläche zu gehen“.

In Wittenberg ist nach Auskunft von Akademiedirektor Christoph Maier am 25. Mai nachmittags eine weitere Kundgebung geplant.

Debatten im Wahljahr

Im Wahljahr 2024 debattieren die Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland – Stephan Bickhardt, Christoph Maier, Friederike Krippner, Jörg Herrmann, Sebastian Kranich – monatlich in einem Fachgespräch mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen über den Umgang mit rechtsradikalen Parteien. Die Essenz der Gespräche veröffentlichen sie als gemeinsame Stellungnahmen zur Demokratie.