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Schutz vor gefährlichen Brennhaaren Annaburger fragen sich: Ist Raupe nicht gleich Raupe?

Ein Schreiben von Stadträten an den Bürgermeister sorgt für Unruhe. Es spricht von Inaktivität in Bezug auf Maßnahmen gegen die Goldafterraupen. Wie der Stadt der Dinge ist.

Von Klaus Adam 12.04.2024, 17:54
Das Rathaus Annaburg
Das Rathaus Annaburg (Foto: Grommisch)

Annaburg/MZ. - Nicht nur an die Kreisverwaltung hat die Stadt Annaburg Personal verloren. Auch die Stadtverwaltung Torgau hat Zuwachs aus der Verwaltung Annaburgs erhalten, nämlich in Persona der Kämmerin. Daher fragte die MZ den Bürgermeister Stefan Schmidt (Freie Wählergemeinschaft), wie es ihm dennoch gelungen ist, den 2024er Haushalt – wenn auch verzögert – aufzustellen, den er den Ausschüssen in seinen grundlegenden Zügen vorgestellt hatte (die MZ berichtete).

Zwar habe er die Federführung bei der Erarbeitung des Etats übernommen, so der Bürgermeister. „Aber es haben mehrere Mitarbeiter an der Aufstellung mitgearbeitet“, so Stefan Schmidt. Sie haben dazu auch etliche Überstunden gemacht. Er habe sich auch bei der Kreisverwaltung um personelle Unterstützung bemüht, bekundete er auf eine Nachfrage der MZ. Das sei allerdings an der Verschiedenheit der Computersysteme gescheitert, so dass die Annaburger Verwaltung letztlich doch auf sich alleine gestellt blieb. Wie berichtet, beträgt das errechnete Defizit derzeit knapp 350.000 Euro.

Drängendes Thema

In seinen Informationen sprach Bürgermeister Stefan Schmidt ein Thema an, das die Stadträte insgesamt, aber auch zahlreiche Einwohner Annaburgs und der Ortsteile umtreibt und auch mit den Diskussionen um den Etat korrespondiert: Maßnahmen gegen die Raupen des Eichenprozessionsspinners und die des Goldafters aufgrund der Folgen für die Gesundheit der Menschen.

Unmittelbar vor Weihnachten hatten die Initiatoren einer entsprechenden Petition die Unterschriften für Regierung und Landtag dem CDU-Landtagsmitglied Siegfried Borgwardt übergeben, erinnerte der Bürgermeister die Ausschussmitglieder. Er sollte sie der Regierung und dem Parlament zukommen lassen.

Angemerkt sei: Seinerzeit hatte sich der Landespolitiker äußerst optimistisch gezeigt, Maßnahmen gegen den Goldafter adäquat zu denen gegen den Eichenprozessionsspinner „in das Gesetz hineinzubekommen“. Ein Optimismus der – die Petition ist noch nicht abschließend beschieden – nach aktuellen Eindrücken offensichtlich von der Gesetzgebungsinstanz nicht mitgetragen wird.

Während Mittel für Maßnahmen gegen den Eichenprozessionsspinner vom Land freigegeben wurden, wie in Jahren zuvor, sind sie es in Bezug auf den Goldafter immer noch nicht. „Die Gefährlichkeit des Goldafters wird negiert“, summierte Stefan Schmidt die Informationen. „Es gibt vom Land keine Genehmigung. Da, wo er auftritt, wird er manuell abgesammelt. Wir dürfen dafür keine Mittel einsetzen.“

Vorwurf der Untätigkeit

Nicht erfreut hat ihn in dieser Hinsicht ein Schreiben, das ihm unmittelbar vor Ostern übergeben worden war. „Es wirft der Verwaltung vor, in dieser Hinsicht inaktiv zu sein“, so der Bürgermeister. Drei Unterzeichner säßen mit in der Runde von Haupt- und Finanzausschuss. Es werfe der Verwaltung unter anderem vor, Unterstützungsangebote nicht angenommen zu haben. „Welche Angebote denn?“, fragte Stefan Schmidt in die Runde. Diesbezüglich bleibe das Schreiben an mehreren Stellen unklar. Zuvor hatte er erklärt, im nichtöffentlichen Sitzungsteil noch über einige Maßnahmen zu informieren, allerdings sei hier nicht klar, „inwieweit die mit Kosten hinterlegt sind“. Zum Beispiel habe die Stadt Dessau-Roßlau im Jahr 2022 auf einer kleineren Fläche „etwas gemacht“. Dazu seien auch Zahlen abrufbar.

Als einziger outete sich Michael Grafe (IG für Feuerwehr und Bürgerwohl) aus der Runde. „Ich habe nicht mit unterschrieben, war aber bei der Übergabe dabei und kann sagen, was drinsteht“ , erklärte er. „Wir haben wieder erfahren, dass von höherer Stelle nichts passiert, dass wir verarscht werden. Aber wir sehen, dass in anderen Städten mehr gemacht wird.“ Er habe das Schreiben nicht so empfunden, „dass dem Bürgermeister Schmidt auf den Schlips getreten wird. Hauptbuhmann sind andere. Aber es sollte der Druck erhöht werden, nicht auf den Bürgermeister, aber hinsichtlich der Gesamtsituation“.

Es seien noch etwa vier Wochen. „Dann geht das wieder los“, meinte Grafe. Ab Ende April seien die Raupen wieder unterwegs. Und wenn nichts gemacht werde oder nur das, was in den vergangenen Jahren lief, „dann reicht das nicht aus. Es geht darum, dass gespritzt wird und dass genügend Flächen behandelt werden. Der schwarze Peter bleibt am Ende bei uns. Wir haben keine Raupen bekämpft, aber die Leute haben Ausschlag und werden krank, weil alle sich auf die Gesetzeslage herausreden“.

Bürgermeister Stefan Schmidt bekundete, dass dort, wo der Goldafter auftritt und unmittelbare Gefährdungen vorliegen, gehandelt werde. Wichtig sei natürlich, dass die Orte die entsprechenden Stellen im Ordnungsamt melden. Die Verwaltung sei auch im Kontakt mit der Stadt Jessen, weil das nur im Zusammenspiel erfolgreich sein kann. „Ja, wir sind zum Spielball geworden“, stimmte Schmidt dem Hohndorfer zu. „Die Frage ist ja, wer zuständig ist und was geschützt werden soll. Soll der Baum geschützt werden oder die Menschen?“ Und genau diese Sache liege beim Landesgesundheitsministerium zur Entscheidung. „Bei allem Unmut, den ich auch teile, müssen wir aufpassen, was wir uns gegenseitig um die Ohren hauen“, so der Bürgermeister. „Ich ziehe an jedem Strohhalm, der da kommt und ich werde weder mir noch den Mitarbeitern Untätigkeit vorwerfen lassen.“

Landesvertreter herholen

„Im Moment stellt sich mir das so dar, dass die Verwaltung alles tut, aber mehr ist auf legalem Weg im Moment nicht möglich“, reagierte Nadine Lehnert (FWG) auf den Zwist. Woraufhin Michael Grafe noch einmal nachhakte: „Wir schieben das hin und her und das ist nicht richtig.“ Es müssten Zuständige aus Magdeburg und Betroffene „aus der ganzen Fläche“ am Tisch sitzen und die Angelegenheit klären.

Auf Nachfrage der MZ informierte Stefan Schmidt, dass das Thema im nichtöffentlichen Sitzungsteil erneut ausgiebig diskutiert wurde. Einig sei man sich dann gewesen, dass der Vorwurf nicht der Verwaltung Schuld zurechne „und im Ton auch ein bisschen zugespitzt“ abgefasst war.

Auf die MZ-Frage, ob sich Landtagsmitglied Siegfried Borgwardt zu der noch unklaren Haltung der Landesregierung geäußert habe, meinte der Bürgermeister: Er war ja im Petitionsausschuss dabei und die Initiatoren hätten eine Zwischeninformation bekommen.

Nach wie vor bestehe die Regierung im Unterschied zum Eichenprozessionsspinner darauf, „der Goldafter gehört zur Natur und sein Aufkommen pegelt sich ein“. Wahrscheinlich sei das Thema Eichenprozessionsspinner über Jahrzehnte gewachsen. Diesen Prozess müsse man mit dem Goldafter nun auch durchmachen, versuchte Schmidt eine Erklärung zur bisherigen Ablehnung der Maßnahmen durch das Land.