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Sozialverband beklagt Mangel an Plätzen in Frauenhäusern

05.11.2019, 13:32

Wiesbaden/Frankfurt - Der Platzmangel in hessischen Frauenhäusern verschärft sich nach Einschätzung von Sozialverbänden angesichts der Wohnungsnot dramatisch. Bereits seit Eröffnung der ersten Unterkünfte in den 1980er-Jahren seien die Einrichtungen so ausgelastet, dass viele Frauen und ihre Kinder abgewiesen werden müssen, sagt Monika Remé, Referentin für Frauen und Mädchen beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Wiesbaden.

Inzwischen könnten Frauen aber auch wenn sie stabil genug sind oft nicht aus dem Frauenhaus ausziehen, weil in vielen Städten bezahlbare Wohnungen fehlen. Daher blieben Plätze in den Einrichtungen länger besetzt als nötig.

„Frauenhäuser in ganz Hessen müssen täglich Frauen in Not und ihre Kinder abweisen”, beklagt Remé. Das Haus in Darmstadt beispielsweise konnte im vergangenen Jahr 64 Frauen mit 49 Kindern aufnehmen - musste jedoch 129 Frauen mit 127 Kindern eine Absage geben. Im Frauenhaus Bergstraße fanden 17 Frauen und 13 Kinder 2018 Unterschlupf, während 107 Frauen mit 121 Kindern abgewiesen werden mussten, erläutert die Referentin. Sowohl die Städte, als auch der ländliche Raum seien vollkommen überlastet.

„Deshalb brauchen wir mehr Platz in Frauenhäusern”, fordert Remé. In den 31 Einrichtungen gäbe es zwar 727 Plätze. Diese Zahl beziehe sich jedoch auf die Betten - die in nur 313 Zimmer ständen. „Da wir gewaltbetroffene Frauen und ihre oft traumatisierten Kinder nicht mit wildfremden Frauen und Kindern in ein Zimmer stecken können, müssen wir uns die Zahl der Zimmer ansehen, um den Bedarf festzustellen”, gibt Remé zu Bedenken. „Wir gehen von einem Bedarf von mindestens doppelt so vielen Familienzimmern aus.”

Außerdem müssten dringend mehr Übergangswohnungen zur Verfügung gestellt werden, „damit die Frauen und ihre Kinder schneller wieder in ein Leben außerhalb des Frauenhauses zurückfinden können und die Zimmer frei werden”.

Unabhängig von der aktuellen Platznot stehe Deutschland in der Pflicht, die sogenannte Istanbul-Konvention umzusetzen. Das Menschenrechtsabkommen gelte seit Februar 2018. Ziel sei „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen”. Zur Umsetzung habe sich die hessische Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag bekannt. „Von den Aktivitäten sind wir bisher enttäuscht”, bilanziert Remé.

Der Paritätische fordert vom Land ein Gesamtkonzept zum Schutz, zur Bekämpfung, Prävention und effektiven Strafverfolgung von Gewalt gegen Frauen. Das Konzept sollte von Sozial-, Justiz-, Kultus- und Innenministerium gemeinsam getragen werden. Dazu gehöre zwingend eine Koordinierungsstelle, die unter anderem festlegt, wo besonders dringend mehr Kapazitäten in Frauenhäusern benötigt werden.

Momentan sei vom Land nur geplant, einzelnen Häusern Geld zum Ausbau und zur Renovierung zu geben, erläutert Remé. „Die Landesregierung wird ihrer Verantwortung nicht gerecht, allen Frauen ein Leben frei von Gewalt zu ermöglichen.” Die Istanbul-Konvention empfehle unter anderem, dass pro 10 000 Einwohner ein Platz in einem Frauenhaus zur Verfügung stehen sollte. Für Hessen entspräche das etwa 625 Familienzimmer.

Aus einer Antwort des Sozialministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Landtags-AfD geht hervor, dass die Versorgung der einzelnen Landkreise sehr variiert: Während im Landkreis Kassel 2018 rechnerisch ein Platz pro 16 902 Einwohner zur Verfügung stand, war es in der Stadt Offenbach ein Platz pro 4023 Einwohner.

Insgesamt stellt das Land nach Angaben des Ministeriums für die Frauenhäuser jährlich 3,14 Millionen Euro bereit. 2018 seien rund 155 000 Euro und in diesem Jahr 310 000 Euro hinzugekommen. Diese Erhöhung solle kontinuierlich in den nächsten Jahren fortgeführt werden.

Laut Koalitionsvertrag würden sowohl die Frauenhäuser als auch die Beratungs- und Interventionsstellen sowie Frauennotrufe entsprechend der Istanbul-Konvention zusätzlich unterstützt, erläutert eine Sprecherin des Ministeriums. Außerdem soll eine Bedarfsanalyse klären, was die Einrichtungen aktuell benötigen. Bei der Erhebung sollen neben dem Sanierungs- und Platzbedarf unter anderem die Barrierefreiheit sowie die Nachfrage nach Übergangswohnungen oder Dolmetschern in den Blick genommen werden.

Trotz alarmierend hoher Zahlen schutzsuchender Frauen, die wegen Platzmangels abgewiesen werden, sei ein Gegensteuern der Landesregierung nicht erkennbar, kritisierte die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Lisa Gnadl. Der Entwurf für den Landeshaushalt 2020 sehe kein zusätzliches Geld für neue Zimmer in Frauenhäusern vor. „Für Frauen und Kinder in Not ist es eine Katastrophe, von einem Frauenhaus abgewiesen zu werden und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine große psychische Belastung”, erklärte Gnadl. (dpa/lhe)