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Mordprozess Yangjie Li Mordprozess Yangjie Li: Angeklagte beschreibt vor Gericht einen Exzess aus Sex und mörderischer Gewalt

Von Lisa Garn 17.01.2017, 08:00
Die Angeklagten Xenia I. und Sebastian F.: Am zehnten Prozesstag sagte sie gegen ihren damaligen Freund aus.
Die Angeklagten Xenia I. und Sebastian F.: Am zehnten Prozesstag sagte sie gegen ihren damaligen Freund aus. Garn, Sebastian

Dessau-Rosslau - Ein Polizist war als Zeuge geladen. Er sollte sagen, wo überall in der Tatwohnung das Blut von Yangjie Li verteilt war. Doch als sich am Montag kurz nach 9 Uhr die Türen im Saal 118 des Dessauer Landgerichts schließen, kündigt Richterin Uda Schmidt eine handfeste Neuigkeit an: Xenia I., die Mitangeklagte im Mordprozess Yangjie Li, will aussagen.

Die 21-jährige Dessauerin holt tief Luft und rückt mehrere Zettel zurecht. Was dann folgt, ist eine fast zweistündige Beschreibung eines Martyriums, das die chinesische Studentin in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai nicht überlebte.

Xenia I. trägt wie so oft eine lilafarbene Jacke. Sie blickt nach unten und liest Sätze vor, die ein Geständnis sind. Immer wieder schluchzt sie, spricht mit tränenerstickter Stimme und muss abbrechen. Schnell ist klar: Ihre Aussagen belasten ihren damaligen Lebensgefährten und gleichaltrigen Angeklagten Sebastian F. schwer.

Chinesische Studentin Yangjie Li wurde vergewaltigt und ermordet

Die beiden stehen seit Ende November vor dem Landgericht in Dessau. Ihnen wird vorgeworfen, im Mai 2016 die chinesische Studentin Yangjie Li vergewaltigt und ermordet zu haben. Der zehnte Verhandlungstag brachte mit Xenia I.s Aussagen eine Wende im Prozess. Bislang hatten beide Verdächtige beharrlich geschwiegen.

In den Tagen vor der Tat habe Sebastian F. immer aggressiver von ihr gefordert, eine Frau für Sex zu Dritt zu organisieren. Zuletzt am Morgen des 11. Mai. „Ich sollte daran denken, was er sonst alles mit mir machen kann und wird“, sagte Xenia I. nun. Sie gab zu, am Abend vor dem Haus in der Dessauer Johannisstraße, in dem das Paar als einzige Mieter wohnte, Yangjie Li angesprochen zu haben. Diese Szene war an einem der Verhandlungstage auch auf einem Video einer Überwachungskamera zu sehen. Sebastian F. soll sich hinter der Eingangstür versteckt haben. „Sprich sie sofort an“, soll er gefordert haben, als die Studentin vom Joggen zurück kam. Yangjie Li sei Xenia I. trotz Sprachschwierigkeiten gefolgt. Als sie die Tür passierte habe, sei Sebastian F. sofort über sie hergefallen.

Er habe sie fesseln und im Treppenhaus vergewaltigen wollen, aber Yangjie Li wehrte sich, sagte die Angeklagte. Dann habe Sebastian F. das Opfer in die leer stehende Wohnung der ersten Etage gezerrt.

„Ich sollte die Klappe halten und mitmachen“

Xenia I. will erst draußen geblieben sein. Später soll Sebastian F. sie gezwungen haben, sich an der Vergewaltigung kurzzeitig zu beteiligen. Mehrfach habe er Yangjie Li massiv geschlagen und misshandelt. Zwischendurch sei sie bei ihren Kindern in der Wohnung darüber gewesen, sagte Xenia I. mehrfach.

Sie habe Sebastian F. aufgefordert, aufzuhören und Yangjie Li gehen zu lassen. „Aber er reagierte nicht, ich sollte die Klappe halten und mitmachen.“ Sie habe Yangjie Li helfen wollen, sei aber weggeschubst worden. „Ich hatte Angst davor, was er mit mir macht, wenn ich extremer werde.“

„Er hat sich genommen, was er haben wollte.“

Denn Xenia I. hatte zuvor von Gewalt, Missbrauch und Drohungen in der Beziehung berichtet. Er soll sie immer brutaler zum Sex gezwungen, auch während der Schwangerschaft geschlagen haben. „Er hat sich genommen, was er haben wollte.“ Als sie ihn verlassen wollte, habe er gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen, ihre Familie zu zerstören und sie umzubringen. Einmal soll er ihr eine Softair-Waffe an den Kopf gehalten und gesagt haben: „Ich würde am liebsten abdrücken, aber die letzte Kugel ist zu schade für dich.“

Was genau in der Tatwohnung passiert ist, will Xenia I. nicht immer mitbekommen haben. „Er wollte später, dass ich Frau Li frage, ob sie Krankheiten hat, ob sie allein lebt und ob jemand die Polizei rufen würde. Ich sollte dafür einen Google-Übersetzer benutzen.“ Xenia I. tat dies, Yangjie Li antwortete mit Kopfschütteln. „Sie saß mit angewinkelten Beinen vor der Couch. Es war dunkel, ich konnte nicht sehen, ob sie Verletzungen hatte.“ Danach ging die Angeklagte wieder zu ihren Kindern in die Wohnung darüber.

Angeklagte Xenia: „Ich sollte niemandem etwas sagen“

Nach der Tat habe sie zuerst gedacht, dass das Opfer noch lebe. Sebastian F. soll die Wohnung gewischt haben und dann in den Keller gegangen sein. „Als er wiederkam, hatte er eine schwarze 120-Liter Mülltonne mit hoch gebracht. Er sagte zu mir, ich soll helfen, sie wegzubringen. Da habe ich richtig Angst bekommen.“ Sebastian F. habe ihr gestanden, die Chinesin umgebracht zu haben. Zuvor soll er den Kopf von Yangjie Li in einen Wassereimer getaucht haben. Dann sei F. mit der Tonne zum Hinterhaus gelaufen, Xenia I. musste den Weg beleuchten. Am 13. Mai wurde dort die Leiche gefunden.

Sebastian F. während der Aussagen keine Regung

„Er hat geduscht und sich ins Bett gelegt, als ob nie etwas gewesen wäre“, erinnerte sich Xenia I. an die Stunden nach der Tat. Auf Fragen habe sie keine Antworten bekommen. Auch nicht, als Medien bereits über das Verschwinden der Chinesin berichteten. „Ich sollte niemandem etwas sagen.“

Dann kam der Anruf der Polizei, bei dem ein Termin zur Vernehmung am 23. Mai vereinbart wurde. Am Wochenende soll Sebastian F. seine Freundin bearbeitet haben, dort die Version vom freiwilligen Sex zu Dritt zu erzählen. Xenia I. will darauf gedrängt haben, die Wahrheit zu sagen. „Aber er meinte nur, die Polizei habe nichts gegen ihn in der Hand.“ Auf die Frage nach dem Warum, soll er geantwortet haben: „Weil ich das so wollte.“

Sebastian F. zeigt am Montag während der Aussagen keine Regung. Der 21-Jährige hielt die Arme verschränkt, sein Blick war starr nach unten oder nach rechts zu seinem Verteidiger gerichtet. Nach der Aussage zum Tatverlauf wurden alle anderen Zeugen für Montag und Dienstag ausgeladen. Am Dienstag soll nun ein psychiatrischer Gutachter mit der Angeklagten sprechen. Kommenden Montag wird Richterin Uda Schmidt die Angeklagte befragen. Auf Wunsch von Xenia I. soll nur Schmidt Fragen stellen dürfen. Sie sollen vorher schriftlich vorgelegt werden. (mz)

Sebastian F. auf dem Weg in den Gerichtssaal in Dessau.
Sebastian F. auf dem Weg in den Gerichtssaal in Dessau.
L. Sebastian
Die Angeklagte Xenia I. verdeckt ihr Gesicht.
Die Angeklagte Xenia I. verdeckt ihr Gesicht.
Lisa Garn