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Von der Osten bei Q-Cells Von der Osten bei Q-Cells: Undurchsichtiger Filz

Von Steffen Höhne Und Kai Gauselmann 16.07.2013, 19:51
In dem Q-Gebäude planten die Manager die Expansion. Lange war es Symbol für den Erfolg, heute wird es nicht mehr von Q-Cells genutzt.
In dem Q-Gebäude planten die Manager die Expansion. Lange war es Symbol für den Erfolg, heute wird es nicht mehr von Q-Cells genutzt. Meinicke Lizenz

Magdeburg/Halle/MZ - Kantstraße 5 in Magdeburg, am Briefkasten kleben drei verwitterte Namensschilder: IBG Beteiligungsgesellschaft S/A, Good-Vent und Cedrus. Die Namen stehen für drei Gesellschaften, die Millionen Euro in junge Technologiefirmen stecken. Letztlich Kopf hinter den Unternehmen ist Dinnies Johannes von der Osten. Er verwaltet auch im Auftrag des Landes Sachsen-Anhalt die IBG Fonds. Doch was sich bei dem Risiko-Kapitalgeber hinter den Türen wirklich abspielt, davon haben die Aufsichtsbehörden des Landes offenbar wenig Ahnung.

Verdacht einer Interessensverquickung

Das Bundesland Sachsen-Anhalt förderte das Solar-Unternehmen Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen über die landeseigene IBG einst mit Millionen Euro. IBG-Chef war von der Osten. Wie das Handelsblatt nun - unter Verweis auf vertrauliche Dokumente - berichtet, hatte sich von der Osten auch privat an dem Unternehmen beteiligt und damit viel Geld verdient. Von der Osten selbst sieht darin kein Vergehen. Das Wirtschaftsministerium wusste aber von der Investition auf eigene Rechnung nichts. „Das geht auf keinen Fall“, sagt Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU). Er hat den Verdacht einer Interessensverquickung. Das Wort Insider-Skandal macht die Runde. Weitere solcher Fälle sind nicht ausgeschlossen.

Doch der Reihe nach: Mit der Q6 hat es angefangen. Im Sommer 2001 lief im neu gebauten Q-Cells-Werk in Bitterfeld-Wolfen die erste 6-Inch-Solarzelle - kurz Q6 - vom Band. Für Firmengründer Reiner Lemoine ging damit ein Traum in Erfüllung. Seit den 70er Jahren forschte er zusammen mit Freunden in Berlin-Kreuzberg an der Solarenergie. Der Atomkraftgegner war von der Idee begeistert, sauberen Strom aus der Sonne zu gewinnen. Wuseltronik (Wind- und Sonnenelektronik) hieß das Ingenieur-Kollektiv, das die Grundlagenforschung leistete.

Dass sich Q-Cells in Sachsen-Anhalt ansiedelte, lag nicht nur an der verkehrsgünstigen Lage und emsigen Chemiearbeitern, sondern auch an der staatlichen Förderung. Mit acht Millionen DM (vier Millionen Euro) beteiligte sich die IBG im Jahr 2000 an einer ersten Finanzierungsrunde von 20 Millionen Euro. IBG-Chef von der Osten fädelte die Investition ein. Wie das „Handelsblatt“ nun berichtet, hatte er sich zuvor aber bereits mit privatem Geld bei Q-Cells eingekauft. Dies soll über die Gesellschaft Capitalnetworks.de geschehen sein, die vom Freund und Rechtsanwalt Thomas van Aubel treuhänderisch verwaltet wurde. Van Aubel wiederum gründete Q-Cells mit und war lange Jahre Aufsichtsratschef des Unternehmens. Von der Osten war Vize. Das langjährige Aufsichtsratsmitglied und Betriebsratschef Uwe Schmorl sagte Dienstag der MZ: „Das private Investment von Herrn von der Osten war mir als Aufsichtsratsmitglied nicht bekannt. Er hat sich aber immer voll für Q-Cells eingesetzt, sein Verhalten war tadellos.“

"Von der Osten hatte bei Q-Cells-Einstieg nicht das letzte Wort"

Doch warum hat von der Osten den möglichen Interessenkonflikt nicht angezeigt? Auf MZ-Anfrage war er persönlich am Dienstag nicht zu erreichen. Dem Handelsblatt sagte er zuvor: Als Geschäftsführer der IBG „unterlag ich weder einem Verbot, mich an einem Unternehmen zu beteiligen, noch war ich verpflichtet, derartige Beteiligungen mitzuteilen.“ Ein Sprecher legte Mittwochabend im Namen von der Ostens nach: „Die letzte Entscheidung zum Einstieg bei Q-Cells hat nicht von der Osten gefällt - sondern der IBG-Beteiligungsausschuss, in dem er nicht gesessen hat.“ Von der Ostens privates Investment zahlte sich auf jeden Fall aus. Q-Cells wuchs zu einem der weltweit führenden Solar-Unternehmen heran.

Wie sich seine Beteiligung entwickelt, konnte von der Osten besser verfolgen als viele andere: Als IBG-Chef und als Aufsichtsrat hatte er tiefe Einblicke in das Geschäft. Nach dem Börsengang 2005 stieg der Aktienkurs von Q-Cells stetig. Laut „Handelsblatt“ verkauften 2006 von der Osten, van Aubel und dessen Frau „Anteile für insgesamt weit mehr als hundert Millionen Euro“. Eine weise Entscheidung. Als das Unternehmen 2009 von der Solarkrise erfasst wurde, schieden von der Osten und van Aubel aus dem Q-Cells-Aufsichtsrat aus. In einer Presse-Mitteilung hieß es damals: „Q-Cells dankt beiden für das besonders hohe Engagement sowie die erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten zehn Jahre.“ Finanziell erfolgreich waren vor allem von der Osten und van Aubel. Q-Cells ging 2012 pleite, der Aktienkurs verlor insgesamt um 99 Prozent. Nur durch die Übernahme durch den koreanischen Konzern Hanwha blieb der Solar-Standort Bitterfeld-Wolfen überhaupt erhalten.

Verstrickungen und undurchsichtige Geflechte

Nach 2006 privatisierte das Land das Management der IBG. Den Zuschlag erhielt: von der Osten und sein Team. Über die neue Good-Vent, wo er Geschäftsführer ist, verwaltet er nun den landeseigenen Risikokapitalfonds sowie den privaten Fonds Cedrus. Beide sind an zahlreichen Technologie-Unternehmen vor allem in Mitteldeutschland beteiligt. Er sitzt in den Aufsichtsräten beziehungsweise Beiräten der Biotechnologie-Unternehmen Curacyte AG in München und Probiodrug AG in Halle sowie dem IT-Unternehmen Market Logic Software AG in Berlin. Ob von der Osten noch privat an Unternehmen beteiligt ist, die von den Fonds unterstützt werden, ist unklar. Und van Aubel hat mit der Berliner Quercus eine neue Investitionsgesellschaft. Das Ganze könnte man durchaus als Geflecht bezeichnen, zumal der Namensgeber der Firmen ein Freund der Botanik sein muss: Cedrus ist der lateinische Name der Zeder, Quercus heißt Eiche.

Ein Briefkasten - drei Firmen
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